Lebensphasen

Vom Welpen zum Hund

Ein erwachsener Hund ist das Ergebnis des Zusammenwirkens von angeborenen Anlagen und den auf diese Anlagen einwirkenden Umwelteinflüssen.
Beide, Anlagen wie Umwelteinflüsse, sind gleichermaßen entscheidend, wie ein Hund wird.
Die schönste Ahnentafel hilft nichts, wenn ein Hund eine Jugendentwicklung unter ungünstigen Bedingungen durchgemacht hat.
Der Hund ist (ähnlich wie der Mensch) kein Lebewesen, das alles fix und fertig vorprogrammiert auf den Lebensweg mitbekommt.
Er ist ein Lernwesen, umweltoffen und in sehr starkem Maße auf das Sammeln von Erfahrungen angewiesen.
Um zu lernen, um aktiv Erfahrungen zu sammeln, benötigt er aber auch einen Antrieb dafür. Neugier und Lernfreudigkeit sind ihm daher von Natur aus mitgegeben.
Er muß natürlich seine Anlagen auch entfalten können, und zwar in jenem Alter, das hierfür am besten geeignet ist.
Erhält die Lernfreudigkeit keine entsprechenden Anreize, so verkümmert sie.
Aber bei Überbeanspruchung der Lernfreudigkeit kann es zur Blockierung des Lernvermögens kommen.

 

Die vegetavive Phase (1. und 2. Woche)
Nach einer bei uns bis jetzt immer unkomplizierten Geburt beginnt für unsere weisse Schäferhundwelpen das Leben in dieser Welt.
Es folgt ein dünner Schrei, auf den wir natürlich immer mit voller Spannung warten.
Der Welpe hat die Augenlider und die Ohren noch verschlossen.
Man ist auch der Meinung, dass der Geruchsinn noch nicht wesentlich ausgebildet ist.
Interessant ist auch immer wieder zu sehen, wie der Welpe den doch immer verhältnismäßig großen Kopf schon gleich hochheben kann.
Dadurch wird es dem Welpen ermöglicht in den ersten Tagen sicher an die Milchquelle zu gelangen.
In den ersten Tagen nach der Geburt ist auch das Schmerzempfinden der Welpen viel weniger ausgeprägt als später.
In dieser Phase ist das angeborene Verhaltensinventar beschränkt u.a. auf Schlafen, Rufen, Suchpendeln, Geruchsprägung an den Zitzen, dem Milchtritt und das Abstemmen.
In dieser Phase finden keinerlei soziale Kontakte, kein Umweltbezug und auch kein Lernen statt.

Die Übergangsphase (3. Woche)
Eine für die Entwicklung der Welpen sehr wichtige Woche.
Die Welpen befinden sich jetzt in einem Zwischenstadium, in dem ihre Sinne erwachen, sich entfalten, in der Vorbereitungsphase für das künftige Sozialleben unserer Hunde.
Es ist ein verhältnismäßig schneller Übergang vom reinen, völlig selbstbezogenen Saug- und Schlafstadium zum aktiven Entdecken der engeren Umwelt und zur ersten Aufnahme von Kontakten mit den Geschwistern, der erste Keim zu dem so vielschichtigen Sozialverhalten des erwachsenen Hundes.
In der Regel öffnen sich die Lidspalten und äußeren Gehörgänge so am 13. Lebenstag.
Für den Welpen ändert sich aber erst einmal nichts, da sich die Sehfähigkeit der Augen erst um den 17. oder 18. Tag entwickelt.
Ebenso ist es mit dem Gehör, und auch die Nase scheint erst jetzt so richtig zu erwachen.
So am 18. Lebenstag kann man dann beobachten, wie die Welpen nun alles mit der Nase zu untersuchen beginnen.
So werden auch erste Kontakte mit den Geschwistern aufgenommen.
Nicht weniger wichtig ist das Mäulchen, das ab jetzt mit kleinen, nadelspitzen Zähnchen ausgestattet ist.
In der Übergangsphase wird die Mutterhündin erstmals vorverdaute Nahrung vorwürgen.
Die Nahrungsumstellung der Welpen beginnt.
Diese Nahrungsaufnahme bedeutet für unsere Welpen eine hochinteressante Lernphase, sie ist für diesen Lebensabschnitt charakteristisch.
Das sogenannte “Bettelverhalten” (der Welpenkopf stößt instinktgeleitet gegen die Maulwinkel der Elterntiere) löst den Würgereiz aus.
Dies ist das typische Begrüßungs- oder Zuneigungsritual im Hundeleben. Auch der Mensch wird vom Hund im Gesicht, gezielt im Bereich des Mundwinkels begrüßt, selbst wenn er dazu den Menschen anspringen muß.
Und wenn die Hundezunge das menschliche Gesicht leckt, so hat auch dies seine Wurzel im ” Zuneigungsritual “.
Bis einschließlich des 20. Lebenstages sind die Welpen immer noch an das Lager gebunden und fühlen sich in ihm so sicher und geborgen, daß sie keinerlei Angstreaktion kennen.
Das ändert sich ganz spontan am 21. Lebenstag, denn da erwacht plötzlich der Trieb in ihnen, der Mutter zu folgen.
Sie verlassen erstmals das Lager.

 
 
Die Prägungsphase (4. bis 7. Woche)
Jetzt im Alter von 21 Tagen sind alle Sinne bereits voll entfaltet.
Die Lagerbindung löst sich, nun setzt der “ Folgetrieb “ ein.
Der Welpe folgt seiner Mutter möglichst auf Schritt und Tritt.
Die Befähigung zur Fortbewegung reift in diesen Wochen rasch und entwickelt sich vor allem im Spiel zu größerer Schnelligkeit, Wendigkeit und Sicherheit.
Schlafperioden werden kürzer.
Die Welpen saugen immer noch bei der Mutter. Beim Saugen kann man jetzt beobachten, wie der Milchtritt seine bisherige Starrheit in der Ausführung verliert. Da die Hündin jetzt immer öfter im Stehen säugt, kann der Welpe den Milchtritt oft nur mit einer Pfote ausführen. So wird aus dem “ Milchtritt “ auf diese Weise das “ Pfötchengeben “. Dies ist im normalen innerartlichen Verkehr eine bei allen Hundeartigen verbreitete Beschwichtigungsgebärde.
Jetzt kann man bei den Welpen schon eine ganze Reihe sozialer Verhaltensweisen erkennen.
Das Wedeln mit dem Schwanz als Ausdruck freudiger Erregung und Zuwendung, das Einklemmen des Schwanzes als Ausdruck ängstlicher Ergebenheit, oder auch das Mundwinkelstoßen als Ausdruck freundlicher Ergebenheit und Zuneigung.
Neugier und Lerntrieb treten jetzt stark in den Vordergrund und kennzeichnen das ganze Welpenleben.
Die erweiterte Umwelt bietet eine ideale Chance zu täglichen neuem Erleben, zum Schulen der Sinne, zur Stärkung der Körperkraft.
Die erziehende Mutterhündin hat ganz neue Möglichkeiten und das Lernspiel beginnt.
In dieser Periode ist es von Wichtigkeit, dass der Welpe intensiv auf Menschen geprägt wird.
Der tägliche Körperkontakt in der Prägungsphase hat ausgesprochen kontaktfreudige Hunde zur Folge.
So wichtig es für die Welpen ist, von der Mutter zu guten Hundemanieren erzogen zu werden, so entscheidend ist auch der Intensivkontakt zwischen Menschen und Welpen, damit diese brauchbare, intelligente und anpassungsfähige Haushunde werden.
Die volle körperliche Entfaltung der Welpen durch ausreichende Bewegung und gute Pflege ist für den Züchter eine ganz entscheidende Aufgabe in der Prägungsphase.
Ebenso die Nutzung dieser für ein ganzes Hundeleben entscheidenden Phase zur ersten sinnvollen Verhaltensprägung, zur Erziehung, auf daß es ein gesunder, anpassungsfähiger Hund werde !

Die Sozialisierungphase ( 8. bis 12. Woche)
In dieser Phase wird das Sozialverhalten weiter ausgebaut.
Wir können jetzt häufiger Kampfspiele beobachten, wo es immer auch verschiedene Elemente des Ausdrucksverhaltens sichtbar werden.
Es werden auch immer mehr taktische Bewegungsweisen der Welpen beobachtet.
Man versucht sich ständig auf die eine oder andere Art zu überlisten.
Sei es bei der Fütterung oder wenn es darum geht, dem anderem Welpen ein Spielzeug zu klauen.
Die Abwehrreaktion und der Schmerzlaut des Betroffenen belehren den rüpelhaften Bruder, daß er zu weit gegangen ist.
So lernt der Welpe seine Kräfte einzuschätzen und unter Kontrolle zu bringen.
Wenn wir jetzt einen Welpen nachdrücklich darüber belehren, daß unsere Hand nicht aus Hartholz ist, begreift er bald, wie weit er gehen darf und wird auch als ausgewachsener Hund mit uns >>auf die sanfte Methode<< spielen.
Ein Hund, der dies gelernt hat, kann so zart in unsere Hände oder Beine >> beißen <<, als wenn wir neugeborene Welpen wären.
Der Welpe muß also das Zusammenspiel mit dem Menschen als eine für beide Seiten erfreuliche Wechselbeziehung kennenlernen.
Freundliche Reaktionen des Menschen, wie Loben oder Streicheln auf erwünschte Verhaltensweisen, prägen sich dem Welpen ebenso ein wie disziplinierende Strafen bei Übertretung von Tabus.
Da sind einige Wiederholungen notwendig, da der Welpe auch die Konsequenz seines menschlichen Erziehers erproben wird.
Je lustvoller das Spiel mit dem Menschen ist und je mehr erstes Lernen als Spiel empfunden wird, um so größer wird die künftige Lernfreudigkeit des Hundes sein.
Sie wird in dieser Phase für alle Zeiten festgelegt.
Der Welpe muß dabei auch im Umgang mit Menschen Selbstsicherheit und Selbstvertrauen entwickeln.
Wichtig ist, daß das notwendige Disziplinieren für den Welpen in einem verkraftbaren Rahmen bleibt.
Das ist der Fall, wenn der Welpe auch nach einer unumgänglich notwendigen Strafe unmittelbar danach seine Anhänglichkeitsbezeugung darbringt.
Die vorgebliche >>Wesensschwäche<< so vieler Hunde beruht häufig genug auf Erziehungsfehlern in der Sozialisierungsphase, in der zumeist viel zuwenig mit dem Hund gespielt, dafür um so mehr >>dressiert<< wird.
Die in dieser Zeit durch falsche Behandlung erworbenen Unsicherheiten sind kaum mehr rückgängig zu machen, die unverkraftbaren Konfliktstoffe wirken in der Seele des Hundes zeitlebens nach.

 

Die Rangordnungsphase (13. bis 16. Woche)
In dieser Phase muß die Vorherrschaft (Rangordnung) des Menschen als Rudelführer durchgesetzt werden.
Grundsätzlich entwickelt sich die Rangordnung innerhalb der Welpenschar schon in den ersten Lebenswochen.
Der Welpe, der sich am stärksten entwickelt, wird eben der Ranghöchste, und derjenige, der am schwächsten entwickelt ist, wird der Rangniederste.
Rangordnung ist aber nicht nur eine Frage der körperlichen Stärke. Sie ist bei einem Lebewesen wie dem Hund auch eine Frage der Intelligenz, und es mag sein, daß spätere körperliche Unterschiede erst eine Folge davon sind.
Wenn ein Welpe mit schneller Auffassungsgabe mehr Futter ergattert, hat er Aussicht, stärker als seine Geschwister zu werden.
Das kann vortäuschen, daß seine Rangordnung nur eine Frage körperlicher Kraft ist.
Täglich ca. 15 Minuten Gehorsamsübungen in der Unterodnung sollten nicht überschritten werden.
Kommandos wie >>Sitz<<, >>Platz<<, >>bei Fuß<<, das läßt sich jetzt schon ganz gut beibringen, darf aber niemals langweilig für den Junghund werden und schon gar nicht solche Formen annehmen, daß er diese Übungen fürchtet.
Dies passiert gerade dann, wenn Spaziergänge für den Hund durch solche Übungen zum lästigen Zwang werden.
Manche Menschen können es nämlich nicht lassen, sich in der Öffentlichkeit mit ihren Hunden zu produzieren.
Klugen Hunden kann man zutrauen, daß sie soviel Beobachtungsgabe haben, daß sie erkennen, welchen gesteigerten Wert ihre Herrchen darauf legen, daß sie vor Publikum besonders schön folgen.
Was dann kommt, ist Charaktersache; es gibt nämlich Hunde, die gerade dann nicht folgen.
Vielleicht aber auch nur deswegen, weil sie die Erfahrung gemacht haben, daß Herrchen es nicht wagt, sie öffentlich zu bestrafen.

Die Rudelordnungsphase ( 5. und 6. Monat)
Wir dürfen annehmen, daß in dieser Zeit abermals wichtige, teils angeborene, teils erlernte Verhaltensmuster ausgeprägt werden, und wir sollten im Umgang mit unserem eigenen Junghund die Zeit nicht ungenutzt lassen.
Hierfür müssen wir uns zunächst zwei wichtige Fakten vor Augen halten:
Erstens bleiben wir Elternkumpan, denn wir bringen dem Junghund weiterhin das Futter.
Zweitens bleiben wir mit unserem Hund gewissermaßen in der Rudelordnungsphase stecken, denn er bleibt ja zeitlebens mit uns zusammen, sogar dann, wenn er im Freileben, als Wolf, längst ein eigenes Rudel anführen würde. Wir verschieben also ab da die naturgegebenen Verhältnisse recht einschneidend.
Wir müssen daher die Zusammenarbeit, wie sie in der Rudelordnungsphase freilebender Hundeartiger erfahren wird, auf andere Möglichkeiten umleiten.
Wir bieten diszipliniertes Spiel (neben dem völlig gelösten Spiel, das wir zuvor als gruppenbindend bezeichnet haben) und in ihm erste Vorstufen zu jener Ausbildung, die dem künftigen Verwendungszweck dient.
Aber auch dann, wenn wir keine Ausbildung vorhaben, ist es sehr anzuraten, dem Hund etwas beizubringen, und wenn es nur kleine fröhliche Kunststücke sind.
Unser Hund befindet sich entschieden noch in einem ausgeprägten Lernstadium, und wenn wir das nicht nützen, dann wird die psychische Struktur des Hundes verkümmern.
Der Mensch kann seine Stellung als Rudelführer festigen, wobei er mehr durch Selbstsicherheit als durch Gewalt seine Stellung unterstreichen sollte. Der Junghund erwartet ein >>Leitbild<< des erfahrenen, psychisch überlegenen Anführers und ist keineswegs darauf eingestellt, einem Tyrannen zu Diensten zu sein.
Daher ist es eine kritische Phase, die sehr leicht zu Erziehungsschwierigkeiten führen kann, wenn diese Vorrangstellung als umsichtiger und überlegener Meuteführer vom sehr scharf beobachtenden Hund nicht anerkannt werden kann. Er ist jetzt sehr geneigt, die eigene Ranghöhe zu verbessern, wenn das Leitbild versagt.
Das beginnt meistens damit, daß er sich weniger um die Wünsche seines Herrn kümmert, bereits gelernte Kommandos geflissentlich überhört. Somit fordert er uns heraus und wir werden dann auch gern einmal bös. Damit machen wir natürlich alles noch verkehrter, denn wenn der Herr als Rudelführer versagt, muß es der Hund werden.
Eine Familie ohne Anführer darf es – zumindest in den Augen des Hundes – nicht geben !!!!

 

Die Pubertätsphase
Der Beginn dieser Phase läßt sich nur schwer bestimmen, da hier sehr unterschiedliche Verhältnisse bei den einzelnen Hunden vorliegen.
Ganz allgemein kann man wohl den siebenten Lebensmonat als jenen bezeichnen, der für unsere Haushunde als der frühste Termin in Frage kommt.
Die meisten Rüden zeigen ihr Erwachsensein durch das bekannte >>Bein heben<< beim Urinieren erst mit neun Monaten, wenn nicht noch später.
Bei den Hündinnen tritt jetzt die erste Läufigkeit auf.
Ist sie voll ausgeprägt und zeigt sich die Hündin bereit, einen Rüden anzunehmen, dann endet die Prubertätsphase auch in diesem Monat.
Ganz allgemein kann man sagen, daß der Hund bei Eintritt der Geschlechtsreife erwachsen ist.
Aus dem Welpen ist ein Hund geworden.
Ergänzend sollte man noch erwähnen, daß am Ende des zweiten Lebensjahres vor allem der Rüde eine endgültige Ausreifung erfährt, die ihn nun gesetzter, fast würdevoller als bislang macht.
Bei Hündinnen bemerkt man diese Ausreifung vor allem dann, wenn sie ihren ersten Wurf aufgezogen haben.
Nach dem zweiten Lebensjahr also ist der Hund endgültig zur voll ausgereiften Persönlichkeit geworden.